Anlässlich der Ausschreibung des Wolfgang Hartmann-Preises gründeten wir, Katharina Jesberger und Ralf Milberg, im Juni 2002 die Projektgruppe WINDBEUTEL, zusammen mit drei jungen Stuttgarter Künstlerlnnen: Inna Poltorychin, Ruby Sircar und Daniel Vujanić. In unserer Projektgruppe verfolgen wir ein Arbeiten im Dialog. Das Manko an theoretischer Fundierung in aktuellen Positionen der Kunst und die Kontaktscheue der Kunsthistoriker zu zeitgenössischer Kunst soll durch eine direkte Auseinandersetzung in der Gruppe überwunden werden. Die obengenannten Kritikpunkte sind keineswegs neu, aber die Versuche, diese anzugehen, sind immer noch selten. Ein Blick auf das Vorlesungs- und Seminarangebot der kunstgeschichtlichen Institute und die angekündigten Magisterarbeiten an deutschen Universitäten kann dies bestätigen. Doch das unablässige Hinterfragen nach einer theoretischen Begründung für den künstlerischen Arbeitsschritt oder nach einer konkreten Begründung im Werk für eine theoretische Aussage führt in unserer Projektgruppe auf beiden Seiten zu einer Weiterentwicklung. Unser Ziel ist, sich im Dialog den Themen zuzuwenden, die unserer jungen Generation aktuell erscheinen,und diese durch Kunst und ihre angemessene Präsentation erfahrbar zu machen. Unsere Arbeitsweise soll nicht darin bestehen,eine theoretische These mit bereits gegebenen künstlerischen Werken zu belegen, sondern darin, Impulse aus unserem Umfeld aufzunehmen und diese künstlerisch und parallel theoretisch zu erfassen. In unserer kleinen Gruppe besteht die Möglichkeit eines direkten Austausches. Anders als bei den letzten beiden Documenta-Ausstellungen, bei denen der Kunst ein gleichwertiges Theorieprogramm gegenübergestellt wurde, wird die Verbindung von Theorie und Praxis also nicht erst in den Köpfen der Rezipienten vollzogen. Zur Dynamik von WINDBEUTEL, unserem "work in progress", gehört auch das offene Konzept, das in gemeinsamer Auseinandersetzung stetig weiterentwickel wird.
Zu danken haben wir daher dem Kuratorium für den Wolfgang Hartmann Preis, der uns den Anstoß für die Gründung der Projektgruppe gab, die auch unabhängig von einer Durchführung im Kunstverein Wilhelmshöhe existiert. Ein weiterer Dank geht an Prof. Hubert Locher von der Akademie der bildenden Künste, der uns für die Realisierung unseres Projektes seine Unterstützung zugesagt hat.
Für unsere Ausstellung haben wir Kunsthistoriker drei junge Positionen aus unserer unmittelbaren Umgebung ausgesucht. Wir konnten erkennen, dass sie unabhängig voneinander bereits verwandte Fragestellungen künstlerisch bearbeiten, die wir mit der Formulierung "Was passiert mit unseren Identitäten?" überschreiben und zum Thema unseres Ausstellungskonzeptes erheben wollen. Die verschiedenen Ergebnisse zeigen verwandte Muster auf, unterscheiden sich jedoch in ihren Ansätzen durch bestimmte autobiographische und dem jeweiligen kulturellen Erbe spezifischen Merkmale und Details.
Die Entdeckung, dass der formal sehr unterschiedlichen Arbeit von drei zunächst intuitiv ausgewählten KünstlerInnen eine gemeinsame Fragestellung zugrunde liegt, führt uns zu der Überzeugung, dass das Thema eine aktuelle Brisanz enthält, die wir für ausstellungswürdig halten.
Im Zeitalter von Retortenbabies mit einem Chemielabor als Herkunftsort und unserem medial bewegten, globalen Alltag hat die Frage "wer bin ich?" eine aktuelle Notwendigkeit. Durch die Fortschritte im Bereich der Gentechnik und die unterschiedlichsten Formen von Lebensgestaltung, die uns in den Medien oder in unmittelbarer Begegnung mit anderen Kulturenpräsentiert werden, sehen wir uns scheinbar unbegrenzten Möglichkeiten der Selbstverwirklichung gegenübergestellt. Es sind viel mehr Antwortenauf die Frage nach der eigenen Identität möglich geworden, die über das, was unseren Großeltern in ihrem jeweiligen geographischenRaum zur Verfügung stand, hinausweisen. Gerade gegenüber diesen zahlreichen Spielarten zur Selbstkonstitution entsteht ein starkes Bedürfnis nach einer eigenenPosition. Dieses Bedürfnis erklärt auch ephemere gesellschaftliche Erscheinungen, wie "Selbstfindung", "Selbstverwirklichung". Im Zusammenhang mit unserem "globalen Alltag" wäre eine weitere Modeerscheinung zu nennen "Ethnostyle", ein Begriff, der die Auswahl aus unterschiedlichen Kulturen zum eigenen Mix beschreibt. Auch in der Kunstwelt macht sich dieses Phänomen bemerkbar, wie die Tendenz der Galerien zu Ausstellungen mit Künstlern aus Übersee zeigt. Problematisch wird dabei die Abgrenzung zwischen Ethnologie und Kunst, deren Entstehung mit der abendländischen Geschichte verknüpft ist, zwischen "echter" Authentizität und der Authentizität aus dem Blickwinkel des europäischen Publikums, das "original" afrikanische Kunst sehen will. Das Originale ist jedoch sehr schwer zu definieren, angesichts eines europäischen Kunstbegriffes oder eines Ausbildungsweges über europäische Akademien oder einer europäischen Produktion im Falle einer Arbeit mit liquiden Medien. Diese Problematik wird auch auf der Documenta 11 ersichtlich, die unter dem Begriff der créolité auf Plattform3 das Kaleidoskop von Kulturen bespricht. Für junge Künstler in Europa erwächst daraus eine neue Anforderung, das Postulat, dem einen eigenen Standpunkt gegenüber zu stellen, die eigene créolité zu vergegenwärtigen. Ausgehend davon, dass Identität "derselbe sein" bedeutet, muss die vollständige Antwort auf die Identitätsfrage immer "ich bin ich" lauten. Eine Bestimmung dessen, was man ist, erfolgt daher leichter durch ein Ausgrenzen dessen, was man nicht ist (Anregungen zu diesem Gedanken: Judith Butlers Geschlechterkonstruktion in Bodies that matter, New York 1993; oder Hegels Definition: Identität ist die Identität mit dem Nicht-Identischen). Die bewusste Wahrnehmung dessen, was man nicht ist, passiert in einer Kontrastsituation. Am produktivsten könnte man diese Ansicht beleuchten, indem man die kulturellen Entwicklungsmuster einer Gesellschaft in Augenschein nimmt, die sich in unserem Kulturkreis in Diaspora befindet, wie das in unterschiedlichem Maße bei unseren drei Stuttgarter KünstlerInnen der Fall ist Inna Poltorychin emigrierte 1991 aus Russland nach Deutschland, Ruby Sircar und Daniel Vujanić gehören zur zweiten Generation von in Diaspora lebenden Familien (siehe Lebensläufe der KünstlerInnen). In Abgrenzung zur Documenta 11, bei welcher wir die Idee der créolité durch einen Blick zurück auf das Ausgangsland des Kunstwerkes verdrängt sehen, möchten wir nicht die ethnischen Spuren des Kunstwerkes zurückverfolgen, sondern créolité in unserem "Hier und Jetzt" veranschaulichen.
Da sich Identität außer dem in einem Prozess durch Aussenwahrnehmung und durch Innenwahrnehmung entwickelt, entsteht durch die Konfrontation mit den Prozessen der Diaspora ein identitätsstiftendes Moment nicht nur für Migranten selbst. Durch das Herausstellen der Prozesse bei der Identitätsbildung der drei KünstlerInnen soll ein Gesamtbild entstehen, das uns als Betrachter unsere Eigenheiten erfahren und erkennen lässt. In der Arbeit von Ruby wird die Identitätsentstehung durch das künstliche Konstrukt der liquiden und sonischen Medien aufgedeckt. Inna wagt den Versuch, verblassende Erinnerungen festzuhalten und die Kinderaugen zu hinterfragen, die auf eine Welt blicken, die es nach einem politischen Umbruch so nicht mehr gibt. Daniel stellt das Verwischen, Verfremden, Suchen, Verlieren, Wiederfinden und Vermischen von Spuren aus der Vergangenheit im zeitlosen Raum dar. Diese Erfahrungen treten in der Diaspora heraus, betreffen jedoch nicht nur Migrantenkinder. Die Ausstellungvon WINDBEUTEL will mit diesen drei ursprünglich voneinander unabhängigen künstlerischen Positionen ein Gesamtbild zur Identitätsfrage im Heute anstreben.Die oben beschriebenen unterschiedlichen thematischen Ausgangspunkte und die unterschiedlichen Medien Zeichnung, Filmstills, Video- und Soundinstallationen in ihrem jeweiligen Ausdruck ergänzen sich dabei und werden durch ein Gemeinschaftsprojekt der KünstlerInnen und die Zusammenarbeit mit den Kunsthistorikern verbunden.
Inna Poltorychin hat im April 2002 mit einer Serie von Zeichnungen auf Karteikarten begonnen. Auf dem weißen, blaulinierten, handgroßen Karton kann man Momentaufnahmen aus vergangenen Tagen sehen. Die Zeichnungen in Bleistift und kühlen Blautönen geben einen sehr nahen und doch nüchternen Blick frei auf uns unbekannte Personen und Augenblicke aus deren Leben. Diese Wirkung wird durch den unvermittelten Schnappschuss-Ausschnitt unterstützt, der das Foto als Vorlage erkennen lässt. Der Betrachter ist geneigt, die Verbindung zwischen den einzelnen Gesichtern und Situationen zu suchen. Sie könnten eine Geschichte erzählen.
Die Karteikarten werden selbst zu Teilstücken eines größeren Ordnungssystems, sie lassen die dargestellten Szenen als Teile eines komplizierten Handlungssystems erscheinen. Doch die Ordnung, die wir anhand der Karteikarten hinter den Personen, ihren Biographien, den Erinnerungen erwarten, eröffnet sich uns nicht. Wir kennen die Akten nicht, in die sie sortiert werden, wir ahnen nur irgendwelche Zusammenhänge zwischen den einzelnen Ausschnitten. Als Betracher wird man Voyeur. Der nahe Fokus lässt emotional teilnehmen an intimen Szenen aus dem Leben der Personen, die unbekannt bleiben, aber deren Stimmung wir nachfühlen können. Sie blicken unbefangen aus der Karteikarte hinaus, ihre natürlichen Körperhaltungen zeigen einen Moment aus ihrem Dasein, unbeirrt vom Blick einer Kamera oder eines möglichen Beobachters beim Tanzen, beim Rauchen auf dem Balkon, wartend. So ist der Betrachter dem Geschehen unglaublich nah, aber nicht miteinbezogen. Er wird zurückgeworfen in ein Gefühl der Distanz, das noch verstärkt wird durch die Reduktion der Umgebung, den nüchternen Charakter der Karteikarte und die kühlen Farben.
Die Bilder hinter Plexiglas, der zweite Werkkomplex, sind mit Bleistift und Textmarker auf mehreren übereinander gelegten Transparentpapieren gezeichnet. Es entstehen mehrere Schichten einer Person, milchig zwischen Transparenz und Opazität. Die unterschiedlich scharf durchscheinende Zeichnung auf den Transparentpapierschichten unterminiert die Raumordnung. Nähe und Ferne verschwimmen.
Seit 2000 bespricht Ruby Sircar in ihrem Ausstellungs- und Diskursprojekt amp, "asiatic mode of production", die selbstdefinierte Identität und das liquid/mediale - non-locus bound, also nicht geographisch verortbare - Selbstverständnis der zweiten in Europa lebenden Generation von AsiatInnen, Pakistani /InderInnen, insbesondere das der Frauen. Das Identitätsgebilde dieser Diasporageneration drückt sich aus in verschiedenen audio-visuellen Medienproduktionen: einerseits in den zumeist filmisch-szenischen Bildern der Elterngeneration, welche in der Kultur des Subkontinents verhaftet sind, andererseits in den medialen Alltagseinflüssen der mitteleuropäischen Umwelt.
Desweiteren untersucht amp das Phänomen der medialen Rekolonialisierung, die durch den globalen Medienmarkt hervorgerufen wird. Wie früher die Baumwolle, so zirkulieren heute mediale Produktionen von Indien in den europäischen Markt und wieder zurück. Dabei transportieren sie Modeerscheinungen und Musikströmungen, Bilder und die damit verbundenen Identitätsformate. Die in der Diasporageschaffenen Selbstverständnisbilder werden auf dem SubkontinentalsDokument zeitgenössischer, feministischer Typen verstandenund so zum Beispiel in Mainstreamfilme eingebunden. Die dadurch geschaffenenTypen,die nun wieder geographisch gebunden sind - und zwar außerhalb Indiens - stellen plötzlich die eigentliche und genuine Wiedergabe eines asiatischen Frauenbildes dar, obwohl sie aus einem nicht-verortbaren Migrationsverständnis stammen.
Die identitätsprägenden Momente werden von amp aufgegriffen und untersucht, bildnerische und sonische, so zum Beispiel in einer Reihe von Momentaufnahmen, Videostills. Die Ausschnitte aus Filmen des asiatischen Mainstreams, Bollywoodproduktionen, widerspiegeln die Idee der Rekolonialisierung des liquiden Identitätsmediums — nicht mehr örtlich bestimmbar, und trotzdem oft gebunden. Obwohl die meisten dieser Momentaufnahmen den Betrachter direkt an- oder in den Raum hinausblicken, bleiben sie trotzallem unnahbar, madonnenhafte Überfrauen. Dies geschieht auch dadurch, dass die einzelnen Frauenbilder in ihrer Videostillästhetik gefangen bleiben. Sie zeigen eine Sicht der zweiten Generation, keine klaren, harten, cinematisch reinen Filmaufnahmen, sondern Bilder entstanden aus den qualitativ schlechten Raubkopien in VHS Format — immerhin ist Stuttgart die Hochburg der asiatischen Mainstreamfilmraubkopien in Europa. Die verzerrte Wahrnehmung der Diaspora bleibt in dieser Abbildung der asiatischen Frau erhalten - Raum zur Schaffung eigener Ideen und Diskurse im bunten Pixelgewimmel.
Daniel Vujanić verwendet in seinen literarischen und musikalischen Arbeiten kulturelle und autobiographische Informationen als Material. Im chaotischen System der Informationsflut filtert er dem Werk zuträgliche Versatzstücke, die er auf einer eigenständigen Handlungsebene neu arrangiert. Die zeitliche Abfolge des Ausgangsmaterials wird durch eine räumliche Anordnung ersetzt. Die harmonischen Verzahnungen der Samples untereinander, die sich im Loop durch Länge und Dynamik bei jeder Wiederholung dem Gesamtbild neu zuordnen, ersetzen das gängige Muster der Aneinanderreihung durch ein inszeniert chaotisches Schema. Jedes Sample hat seine feste Funktion als ästhetisches Glied im Interaktionsraum des Werkes, es verliert jedoch im Dienste eines ganzheitlichen Effekts seine ursprüngliche Wertigkeit. Versteht man Kunst als übergeordnetes System, so verhält sich das Sample als "farbiges Puzzleteil", dessen Eingliederung sich beim Wahrnehmen nicht verzeitlichen lässt.
Vujanić Idee der "Mind Map", ein aleatorisches Verknüpfen vorhandener Fragmente im Kopf des Rezipienten, äußert sich im Werk jedoch über die Summe der einzelnen Teile hinaus. In der Musik entstehen durch das momenthafte Überlagern der Samples gedankliche Überlappungen der kryptischen Einheiten, die jedem Menschen als universelle Codes unbewusst vertraut sind. Auf einer weiteren Ebene ergeben sich ständige räumliche Transformationen aus Phasenverschiebungen und Phasenauslöschungen und aus dem seriellen "Flackern" der Klangfarben. Verbindung schafft er durch ein gemeinsames Detail jenseits der thematischen Aussage des Materials in seiner ungeschnittenen, ursprünglichen Fassung. Bei seiner Klanginstallation Schellack Themen (2002) benutzt Vujanić hier für das Knistern von alten Schellack-Schallplatten, die mit Hilfe eines Mikrophons direkt am Schalltrichter eines von Hand getriebenen Grammophons auf ein digitales Medium übertragen wurden. Das mechanische Knistern der Plattennadel stellt dem unterschiedlichen Klangmaterial eine hörbare Gemeinsamkeit zur Verfügung, die sich beim Überlagern, Schneiden und Positionieren der Samples als stringenter, dominanter Klang erweist. Somit erreicht Vujanić die rhythmisierende Ausgangsebene, die einen Einstieg in die Rezeption seines Werkes an jeder beliebigen Stelle ermöglicht. Das "gesampelte" Material erscheint gleichsam geschichtslos, seiner Eigenständigkeit beraubt. Der historisierende Blick findet sich im zeitlosen Raum, in einer räumlichen Retrospektive.
Der Künstler betrachtet sein Werk als ästhetische Äquivalente zur Identitätssuche in der Diaspora. Das universelle Moment, vielleicht ein Urchaos, welches sich durch das Phänomen der "créolité" und der sie verursachenden Diasporen in den verschiedenen Kulturkreisen verschlüsselt hat, wird durch ein übergeordnetes Element und eine gezielte Auswahl an gefilterten Exzerpten,den Samples, sowie deren räumliche Interaktion im Kunstwerk veranschaulicht.
Bei unserer Ausstellung wird Daniel Vujanić mit einer überarbeiteten und in ihrer Ausführung komplexeren Installation seiner Schellack Themen vertreten sein. Der Raum wird damit simultan aus mehreren Richtungen beschallt, wobei die einzelnen Schellack Themen zu unbestimmten Zeitpunkte nacheinander einsetzen. Dadurch entstehen während der Ausstellungsdauer in jedem Moment und an jeder Stelle der Ausstellungsräumlichkeiten per Zufall neu Verzahnungen und eine unendliche Fülle an universellen Fragmenten. Das Atmosphärische dient als Übermittler kultureller Identität.
Unsere Ausstellung möchte ein Gesamtbild von Identitätsprozessen vermitteln, das ein weit gefasstes Publikum betrifft. Neben den Einzelbeiträgen der KünstlerInnen, der Karteikartenserie von Inna, der Soundinstallation mit Schellack Themen von Daniel und einem "Beitrag in Entwicklung" von Ruby, arbeiten die drei Künstler außerdem an einem Gemeinschaftsprojekt, mit Texten, Musik und Filmmaterial, unter anderem einem Familienvideo von Inna, das Tanzszenen bei der Abschiedsfeier von Freunden und Verwandten 1991 in Russland zeigt. Die Soundinstallation von Daniel wird den gesamten Ausstellungsraum links der Treppe übermalen, zusammenhalten und den Gang zwischen Büro und Küche bereits als Kunstraum mit einbeziehen. Dem stellen wir den Raum rechts der Treppe, Raum vier gegenüber. Raum vier bleibt frei von audiovisuellen Produktionen der KünstlerInnen. Als Freiraum wird er mittels einer Soundinstallation, die Widerhall erzeugt,eine sonische Selbstwahrnehmung ermöglichen. Zur Erweiterung des Ausstellungsraum im Kunstverein richten wir eine Website ein, die neben Informationen zu unserer Projektgruppe und zur Ausstellung wissenschaftliche und literarischeTexte, eine Auswahl an Bildern, Filmographien, Bibliographien und Links zum Thema beinhalten wird: Eine facettenreiche "Stöberkiste" zu unserem Thema mit allem, was unsere Ausstellung überladen würde. Für die Ausstellung soll es eine Leitfarbe geben, die wie ein Navigationsfaden durch die Website und die Ausstellung führen soll. Sie wird auch auf den Einladungskarten erscheinen, kostenfreien (Edgar-)Postkarten, die verteilt und verschickt werden können, sich verselbständigen und somit weitere Personenkreise einbeziehen. Die Verbindung zwischen den beiden gegenübergestellten Räumen, die durch das Treppenhaus führt, soll ebenfalls durch den Navigationsfaden in der Leitfarbe hergestellt werden, der zum Teil in Form von Text mit Klebefolie auf den Boden geklebt wird und durch eine entsprechende Lichtführung unterstützt werden kann. An den Wochenenden möchten wir ein Zusatzprogramm veranstalten, in dem die KünstlerInnen in Gesprächen, Vorträgen (z.B. von Ruby Sircar zu ihrem Projekt screening) und Lesungen sowie mit ihrem Film- und Musikprogramm (zur Arbeit von Ruby Sircar und Daniel Vujanić) ihr Werk vorstellen und mit Besuchern der Ausstellung diskutieren können und die Kunsthistoriker entsprechende Bezüge zur Kunstgeschichte herstellen.
1) Katharina Jesberger (*1979), Kunstgeschichtestudentin bei Prof. Beat Wyss in Stuttgart und Prof. Gottfried Boehm in Basel, Beirat im Künstlerhaus Stuttgart.
2) Ralf Milberg (*1978), Kunstgeschichtestudent in Stuttgart, engagiert in der Stuttgarter Indie-Musikszene u.a. mit Bands wie Longjumpmin, Stale, Navel, Velvet First Floor
3) Inna Poltorychin (*1977), emigrierte 1991 aus Russland nach Stuttgart, studiert seit 1998 Kunsterziehung an der AbK Stuttgart; Ausstattungsassistentin am Staatstheater Stuttgart und am Theater Reutlingen (Die Tonne), Ausstellungen (u.a.): 2. Triennale zeitgenössischer Kunst Oberschwaben 2001, Fritz-Wolf-Förderpreis der Kunsthalle Osnabrück (2002).
4) Ruby Sircar (*1975), Studium der Kunsterziehung an der AbK Stuttgart; promoviert bei Ute Meta Bauer (AbK Wien) und Sarat Chandra Maharaj (Goldsmiths University London) zum Thema Identitätskonstitution in sonischen Mediaproduktionen der zweiten asiatischen Generation in Europa; ihr Ausstellungsprojekt amp (asiatic mode of production) startete 2000 im Künstlerhaus Stuttgart.
5) Daniel Vujanić (*1975), freier Autor und Musiker; Veröffentlichungen: Panoramakonzentrate und Lautsprecheranthologien 2-4, beide erschienen beim Lautsprecherverlag Stuttgart, Metastabil/Stadt Rand Bild (Leeremenge), Mileva “Stories Survive Sequels“ (LP/CD 2002).